Ein einzigartiges Gebäude für einen einzigartigen Standort: Innerhalb der Mauern der Justizvollzugsanstalt Haaglanden in Scheveningen soll ein temporäres Zentrum für somatische Pflege entstehen. Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner Heijmans haben wir in einem wettbewerbsgerichteten Dialog die Anforderungsspezifikation der niederländischen Immobilienbehörde in einen Ausschreibungsentwurf für eine geschlossene Pflegeabteilung von 3.300 m² übersetzt, in der Inhaftierte nach einer andernorts erfolgten medizinischen Behandlung ihren Genesungsprozess fortsetzen können. Was die Entwurfsaufgabe besonders herausfordernd und inspirierend machte, waren die zahlreichen Anforderungen und Rahmenbedingungen – vom emissionsarmen Bauen bis hin zu einer ausbruchsicheren Fassade.
Das temporäre Gebäude soll 10 bis 15 Jahre am Standort genutzt werden, vollkommen nachhaltig sein und einfach zu demontieren. Eine Überschreitung der strengen Stickstoffnormen während der Bauarbeiten ist wegen des angrenzenden Naturschutzgebietes ausgeschlossen. Und selbstverständlich dürfen die Bauarbeiten die Abläufe in der Justizvollzugsanstalt unter keinen Umständen behindern. Außerdem muss das Gebäude innerhalb eines Jahres (!) vollkommen funktionsfähig übergeben werden. Das alles führte zu einer vollkommen neuen Herangehensweise, bei der Logistik, Transport, Baumethode, Materialgebrauch und Nachhaltigkeit den Ausgangspunkt bildeten.
Es ist ein Auftrag mit scheinbar großen Widersprüchen. Das Gebäude und die Bauteile müssen leicht und demontierbar sein, von elektrischen Kränen gehoben werden können, aber gleichzeitig auch sehr massiv sein und (brand-)sicher. Außerdem soll eine wohltuende „Healing Environment” geschaffen werden, die aber gleichzeitig die genesenden Inhaftierten in Verwahrung hält. Nach einer intensiven Studie, die wir gemeinsam mit unserem Kooperationspartner Heijmans durchgeführt haben, kamen wir zu ausgewogenen Lösungen.
Da eine Pfahlgründung nicht möglich war und ein umweltbelastendes Betonfundament unerwünscht, wurden Schraubpfähle verwendet, die die später wieder aus dem Boden entfernt werden können. Der Entwurf ist vollkommen modular. Die vorgefertigten Bauteile sind so leicht, dass sie elektrisch transportiert und angehoben werden können. Alles wird von einem weiter entfernt gelegenen Bauzentrum zur Baustelle transportiert, wo die Einheiten direkt montiert werden. Alle Elemente für einen Raum sind jeweils in einem flachen Paket verpackt. Die CLT-Wände mit vormontierten Leitungen verfügen über eine nachhaltige Bambus-Oberfläche und eine große konstruktive Stabilität.
Sowohl innen als auch außen bietet der Entwurf Ausgewogenheit zwischen Sanftheit, Nachhaltigkeit und Tageslicht auf der einen Seite und den strengen Anforderungen, welche die Justizvollzugsanstalt an die Konstruktion stellt, auf der anderen Seite. Die attraktive und unüberwindbare Fassade mit großen, ausbruchsicheren Fenstern ist mit stoßfestem und nachhaltigem Bambus verkleidet – ein vielseitiges, natürliches Material.
Pro Gebäudeflügel gibt es in jedem Geschoss einen Posten für jeweils einen Mitarbeiter des Pflege- und einen Mitarbeiter des Sicherheitspersonals. Beide unternehmen die Medikamenten- und Pflegevisiten in den Zimmern stets gemeinsam. Von ihrem Posten aus haben sie freie Sicht auf die Korridore und den Außenbereich für die Inhaftierten. Pro Geschoss sind jeweils zwei Posten durch einen geräumigen, grünen Patio miteinander verbunden. Hier können die Mitarbeiter zwischendurch an der frischen Lust entspannen, sich austauschen und gegenseitig unterstützen, wann immer das nötig ist.